Tigerhai – der Allesfresser im Meer

Dem Weißen Hai steht der Tigerhai in nur wenigen Attributen nach. An Aggressivität übertrumpft er den größten aller Haie sogar noch.

Tigerhai von schräg unten fotografiert
© Christopher Bartlett – Fotolia

In seinem Aussehen ist er einzigartig und kann kaum mit anderen Haiarten verwechselt werden. Er ist der typische „bad guy“ unter den Haien. Auch wenn er etwas kleiner ist als der Weiße Hai, seine schmale Silhouette lässt ihn elegant erscheinen, sein Gebiss ist zum Fürchten und beim Fressen ist er wenig wählerisch. Gerade das hat ihn lange Zeit den Stempel „primitiv“ eingebracht. Doch weit gefehlt, denn genau dieses Verhalten zeugt von einer besonders hoch entwickelten Form.


Beim Tigerhai Maß genommen

Tigerhaie verfügen wie fast alle Haiarten über einen perfekten Körperbau, der selbst mit einer ausgeklügelten Computertechnologie nicht verbessert werden könnte. Die stromlinienförmigen Körper des Tigerhais erlauben hohe Geschwindigkeiten mit einem Flossenschlag.

  • Tigerhaie tragen im Lateinischen den Namen Galeocerdo cuvier und gehören zur Familie der Requiemhaie (Carcharhinidae).
  • Seine Länge beträgt etwa 5,5 Meter. Es sind aber auch schon Exemplare mit einer Länge über 7 Metern gesichtet wurden. Die Weibchen bleiben kleiner als die Männchen.
  • Mit einem Gewicht von 900 kg bringt er nur etwa halb so viel auf die Waage, wie der Weiße Hai.
  • Im Gegensatz zu anderen Haiarten sind Tigerhaie noch nicht umfassend erforscht. Ihr Alter kann nur geschätzt werden und beträgt wahrscheinlich mindestens 27 Jahre.
  • Seinen Namen hat der Tigerhai durch seine auffallende Zeichnung erhalten, die vor allem bei Jungtieren zu sehen ist. Mit zunehmend Alter der Haie verblasst die Zeichnung.
  • Farblich liegt die Hauttönung zwischen grau und graublau. Auch dunkle Graufärbungen sind möglich. An der Bauchseite ist die Färbung deutlich heller und reicht von einer gelblich weißen Tönung bis zu fast ganz Weiß.
  • Als einzige Grauhaiart verfügt der Tigerhai über Sauglöcher, die unter den Augen sitzen.
  • Bemerkenswert sind auch die Augen selber. Diese sind sehr groß und schwarz. Beim Beute reißen verdreht er den Augapfel nach innen. So werden die Augen mit der Nickhaut geschützt. Damit vermeidet der Räuber, dass seine Augen bei einem Abwehrverhalten der Beute im Todeskampf verletzt werden.
    Der schlanke Körper endet in einem massigen Kopf mit kurzer, stumpfer Schnauze. Am Maul ziehen sich tiefe labiale Furchen entlang. Die Zähne sind sichelartig und mit Widerhaken versehen. Haitypisch wachsen die Zähne nach. Tigerhaie verfügen über zwei Rückenflossen, wovon die hintere kleiner ist.

Neugierige Einzelgänger in der Nacht

Tigerhaie sind neugierig und sehr aktiv. Trotzdem gehören sie eher zu den langsamen Schwimmern.

Tigerhai von vorne fotografiert
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Die nachtaktiven Einzelgänger sind meist nur bei der Jagd in Gruppen anzutreffen. Es kann aber auch am Tag zu Angriffen auf Beutetiere kommen. Standorttreue kennen sie nicht. Sie können am Tag bis zu 80 Kilometer zurücklegen. Und das nicht nur bei der Suche nach Futter. Tigerhaie müssen sich ständig bewegen, da sie sonst sinken. Beim Schwimmen erreicht der Raubfisch Geschwindigkeiten von bis zu 30 km/h. Tigerhaie tauchen in Tiefen bis 350 Meter.

Die Geschlechtsreife hängt von der Größe der Haie ab. Weibchen sind ab einer Körpergröße von 2,5 bis 3,2 Metern geschlechtsreif, Männchen ab einer Größe von 2,3 Metern. Männchen und Weibchen treffen nur in der Paarungszeit zusammen, die wahrscheinlich in den Monaten November bis Mai liegt. Nach einer Tragezeit von circa 16 Monaten kommen die Jungen zur Welt. Tigerhaie sind ovovivipar. Die jungen Haie schlüpfen schon in der Gebärmutter der Mutter aus ihren Eiern. Bis zu 40 Jungtiere kann ein Wurf haben. Die Jungtiere sind kannibalistisch veranlagt. Das älteste Jungtier frisst als Fötus bereits im Körper der Mutter unbefruchtete Eier oder jüngere Geschwister. Die Jungen werden mit einer Größe von 50 bis 70 Zentimetern geboren. Tigerhaie tragen nur aller zwei bis drei Jahre Junge aus.

Tigerhaie sind Allesfresser und Jäger der Nacht

Der Tisch des Tigerhais ist mit allem gedeckt, was Wasser, Land und Luft hergeben. Es gibt Berichte von den Marshall-Inseln, wo sich die Raubfische immer dann einfinden, wenn die Albatrosse flügge werden und ihre ersten Flugversuche unternehmen. Wer auf dem Jungfernflug in den flachen Lagunen landet, wird Haifutter. Mit gleicher Regelmäßigkeit tauchen die Tigerhaie während der Zeit der Eiablagen der Meeresschildkröten an den Stränden auf, um sich dort die leckeren Meeresbewohner schmecken zu lassen. Aber auch große Knochenfische und Meeressäuger gehören auf seinen Speiseplan. Er hat seinen Ruf als Müllschlucker der Meere weg. Und so verwundert es wohl nicht, dass sich selbst Konservenbüchsen, Autoreifen und allerlei anderer unverdaulichen Unrat in seinem Magen finden. Selbst Aas wird von ihm nicht verschmäht. Tigerhaie haben unter den Haien das perfekteste Gebiss, das selbst von dem Panzer der Meeresschildkröten nicht aufgehalten werden kann. Die Zähne des Unter- und Oberkiefers sind absolut identisch. Die Haiart ist vor allem in den Dämmerungs- und Nachtstunden zur Jagd unterwegs. Am Tag sind die scheuen Tiere eher selten zu sehen.

Der große Speiseplan spricht nicht für Dummheit

Viele Jahre haben Wissenschaftler angenommen, dass der umfangreiche Speiseplan des Tigerhais nicht gerade für Intelligenz spricht. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Das breite Beutespektrum ist durchaus sinnvoll. Ein Raubfisch, der über 5 Meter lang ist, hat im Sinne der Evolution einen selektiven Vorteil, wenn er sich nicht auf einige wenige Beutearten beschränkt. Große Haie benötigen sehr viel Energie, die sie über das Futter beziehen. Geht eine Beuteart zurück und ist vom Aussterben bedroht, würde auch die spezialisierte Form bedroht werden und eventuell aussterben.

Auch Menschen werden vom Tigerhai nicht verschmäht

Viele Haiangriffe auf Menschen gehen auf das Konto der Tigerhaie (Galeocerdo cuvier). Die meisten Hai-Angriffe auf Menschen gehen auf den Weißen Hai, den Tigerhai und den Bullenhai zurück.

Besonders in der Dämmerung und den Nachtstunden, wenn die Raubfische in den flachen Gewässerzonen nach Beute suchen, kann es schnell zu tödlichen Unfällen kommen. Tigerhaie sind aggressiv und können beim Fressen leicht in Raserei geraten. Gerade zur Fütterungszeit sollte man sich den Tieren nicht ohne Schutzmaßnahmen nähern. Aufgrund ihres großen Beuteschemas, der bedeutenden Körpergröße und seiner Unberechenbarkeit gehören die Tigerhaie neben dem Bullenhai und dem Weißen Hai zu den für den Menschen gefährlichsten Haiarten. Andere Haiarten prüfen mit dem sogenannten Probebiss erst einmal, ob die Beute genießbar ist. Tigerhaie sind weniger wählerisch und verschlingen ihre Beute umgehend. Trotzdem ist die Anzahl der Haiunfälle relativ gering. Die Chance von einem Blitz getroffen zu werden, liegt weit aus höher.

Wo der Jäger zuhause ist

Tigerhaie sind vor allem in nahen Küstengewässern zu finden. Und das in allen tropischen und subtropischen Regionen weltweit.

Begegnung zwischen Tigerhai und Taucher
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Obwohl es auch schon Sichtungen gegeben hat, sind die gestreiften Jäger eher selten im zentralen und westlichen Mittelmeer anzutreffen. Experten vermuten, dass diese Exemplare sich eher über den Suezkanal oder die Straße von Gibraltar verirrt haben. Zuhause ist er im Indischen Ozean, dem Atlantik und Pazifik. Besiedelt sind vor allem die Küstengewässer. Eher seltener zieht es die Haie in Flussmündungen.

  • Indischer Ozean: Hier ist er vom südlichen Afrika bis nach Vietnam zu finden. An den Küsten Madagaskars ist er ebenso Zuhause wie vor Indien, Bangladesch oder Thailand.
  • Atlantik: Tigerhaie fühlen sich vor an den Stränden der USA bis nach Brasilien wohl, leben im Golf von Mexiko und der Karibik. Ihr Verbreitungsgebiet reicht aber auch bis nach Afrika.
  • Pazifik: Und auch den Pazifik haben die Haie als ihr Revier gekennzeichnet. In Südostasien, Australien und Neuseeland sind sie ebenso anzutreffen die die vor der Inselwelt im zentralen Pazifik.

Zu den bevorzugten Lebensräumen gehören Buchten, Lagunen, Atolle und Korallenriffe. Am Tag zieht er sich in die tiefen Gewässer zurück, um bei Dämmerung im Flachwasser auf Jagd zu gehen.

Auch Tigerhaie sind gefährdet

Obwohl Tigerhaie noch nicht zu den vom Aussterben bedrohten Tierarten gehören, ist es wohl nur eine Frage der Zeit. Bis jetzt wird die Haiart in der Roten Liste der IUCN noch als gering gefährdet eingestuft. Doch auch bei den Tigerhaien zeigen sich die Auswirkungen der Bejagung. Die Gesamtpopulation ist stark eingeschränkt. Haut, Flossen und Fleisch des Haies sind begehrt und vor allem auf dem asiatischen Markt eine Delikatesse, für die Höchstpreise gezahlt werden. In den letzten Jahren hat der Haifang allerdings an Bedeutung verloren. Vielleicht ist das die Chance für den Tiger. Trotzdem ist nicht davon auszugehen, dass Haie schnell von der Liste der bedrohten Arten verschwinden. Ein Problem ist die späte Fortpflanzungsfähigkeit der Haie.

Tigerhaie haben neben dem Menschen im ausgewachsenen Stadium nur einen natürlichen Feind. Es wurden schon Angriffe von Orcas auf Tigeraie beobachtet.

Tigerhai noch wenig erforscht

Im Gegensatz zu anderen Haiarten hat die Wissenschaft dem Tigerhai kaum Beachtung geschenkt. Deshalb ist über diese Haiart auch nicht viel bekannt. Lediglich in Hawaii gibt es wissenschaftliche Projekte, die sich mit dem Gestreiften befassen. Das ist schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass der Tigerhai der häufigste und größte Räuber in den Bahamas und dem westlichen Nordatlantik ist. In Kuba und dem Golf von Mexiko ist er die zweithäufigste gefangene Haiart. Viele Mythologien ranken sich bei den Inselvölkern um den Räuber der Meere. Die Hawaiianer geben dem Weißen Hai und dem Tigerhai den gleichen Namen – Niuhi. Laut einer Legende sollen die Könige in Hawaii ihren Weitblick nur dadurch erlangt haben, dass sie die Augen der Haie verspeisten.